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10.09.2000
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10.09.00, immer noch in Algeciras, nahe Gibraltar
Den ganzen Tag über bin ich heute mit Peter Enggist, dem Geschäftsführer der Schweizerischen Gesellschaft für den Weissstorch, im Südzipfel Spaniens
zwischen Algeciras und Tarifa unterwegs. Wir schauen uns die Orte an, die hier für die ziehenden Störche von Bedeutung sind, und diskutieren die bisherige
Entwicklung des Projekts sowie das weitere Vorgehen. Stephan und Olaf von Team 3, die wir bei Gibraltar treffen, erklären Peter ihre Erfahrungen mit den
verschiedenen Peilgeräten, und am Abend beobachten Peter und ich den Einflug von Störchen auf ihrem Schlafplatz auf den riesigen Hochspannungsmasten
nahe Los Barrios. Ein arbeitsreicher und wichtiger Tag, bei dem aber auch die angenehmen Seiten des Lebens nicht zu kurz gekommen sind. Zum Mittagessen
gibt es gegrillte Tintenfische und Paella mit Meeresfrüchten, in einem Lokal direkt am Strand mit freiem Blick auf den imposanten Felsen von Gibraltar. Für mich
das erste wirklich gute Essen seit vielen Wochen.
Noch immer bläst ein starker Wind, jetzt aus Nordost, über die Südspitze Gibraltars. Die Temperaturen steigen seit gestern tagsüber nicht mehr über angenehme 30°.
Wegen des Sturms ziehen die Senderstörche, die sich hier in Gibraltar aufhalten, auch heute noch nicht ab. Überhaupt hat sich bei unseren durch Spanien ziehenden
Vögeln nichts aufregendes getan. Basilisk und Willy, die immer noch gemeinsam unterwegs sind, übernachten heute, unter den wachsamen Augen von Team 4, bei
Valdepenas in Südspanien. Marie ist einige Kilometer nach Norden zurückgewandert und hält sich nun wieder am Rand des Nationalparks Coto Donana auf. Helene,
deren Zugverlauf gestern nicht ganz klar war, hat sich heute eindeutig auf gefährliches Terrain begeben. Sie rastet nun in der Region um Dos Hermanas, dem Gebiet,
über das ich im Zusammenhang mit den Todesleitungen bereits mehrfach berichtet habe.
Spannend war es auch heute wieder in Südfrankreich. Gestern hatte ich ja berichtet, dass die Senderstörche Ernst und Walter sich offensichtlich auf den Weg
nach Italien begeben hätten. Allerdings haben sie sich dann heute doch anders entschieden. Zuerst zogen sie in einem Trupp aus 29 Jungstörchen, 4 davon
aus Tschechien (!) und mehrere aus der Schweiz, ein Stück weiter Richtung Osten. Team 2, Michael und Christian, verloren die Vögel dann aus den Augen,
und als am Abend die nächsten verlässlichen Kordinaten eintrafen, war das Staunen gross. Walter hatte in der Zwischenzeit die Nordwestspitze Sardiniens
erreicht, hatte also wahrscheinlich - zusammen mit dem Trupp aus 29 Jungstörchen - ca. 400 km Mittelmeer überflogen. Oder aber er war auf dem Weg über
Korsika nach Sardinien gelangt und hatte so die zu überfliegende Meeresstrecke verkürzt. So unerwartet dieser Zugweg auch war, ganz ungewöhnlich scheint
er nicht zu sein. Bereits im letzten Jahr wurden in Sardinien mehrere schweizerische Störche in einem Trupp von insgesamt etwa 50 Störchen festgestellt.
Senderstorch Ernst, der noch am Vortag mit Walter zusammen gezogen war, scheute offenbar vor der Querung der grossen Wasserfläche zurück.
Er zog ein Stück zurück Richtung Westen und ist nun wenige Kilometer von Toulon entfernt. Monika hält sich unverändert in der Camargue auf.
Auch bei unseren vier Senderstörchen in Afrika kam es nur zu unwesentlichen Änderungen.
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9.09.2000
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09.09.00, Algeciras bei Gibraltar
Seit gestern nacht hat unser Team 2 in Südfrankreich ein echtes Problem: da derzeit in Frankreich von den LKW-Fahrern die Auslieferung
von Dieselkraftstoff blockiert wird, tankten Michael und Christian ihren Geländewagen in Spanien randvoll. Normalerweise wären sie
mit „ihren“ Vögeln, die sie etwa ab Montpellier auf dem Weg nach Gibraltar begleiten wollten, auch ohne Probleme nach Spanien zurückgekommen.
Zwei der Vögel entschieden sich jedoch, den heutigen Tag in der Camargue zu verbringen und am Abend entgegen der „Regeln“ nach Osten
abzuziehen. Wir beschlossen, dass unser Team ihnen folgen soll und hoffen nun, dass Michael und Christian auf dem Weg nach Italien nicht
der Sprit ausgeht.
Zwar hatten sich die drei Sendervögel Ernst und Monika aus Uznach und Walter aus Oetwil bereits ungewöhnlich verhalten, als sie in Südfrankreich
die Camargue östlich der Rhone und nicht, wie die anderen Vögel, die Region um Lunel westlich der Rhone aufgesucht hatten. Niemand von uns hatte
jedoch ernsthaft erwartet, dass zwei von ihnen (Ernst und Walter) von dort aus in östlicher Richtung weiterziehen würden. Heute nacht berichtete unser
Team, dass sich Ernst im Yachthafen von St.-Tropez niedergelassen hat; die Satellitendaten weisen darauf hin, dass auch Walter sich im genau gleichen Gebiet
aufhält. Jetzt sind wir natürlich gespannt, ob die beiden Senderstörche morgen Italien erreichen werden. Monika hat die Camargue bisher nicht verlassen und ist bei
Port-de-Bouc nahe der Rhonemündung.
Basilisk aus Basel und Willy aus Hünenberg ziehen weiterhin gemeinsam und befinden sich derzeit etwa 120 km südlich von Zaragoza. Team 4 berichtete,
dass Basilisk sich zum Übernachten auf einer Burg bei Montalban niedergelassen hat. Marie aus Ungersheim ist nun knapp südlich von Jerez, und Kurt
aus Uznach verbringt die Nacht im Villenviertel von Marbella, wie mir Stephan und Olaf von Team 3 mitteilten. Von Helene aus Oberwil, die gestern nahe
Valdepenas in Südspanien lokalisiert werden konnte, wissen wir nichts genaues. Möglicherweise hat sie sich nach Westen in Richtung portugiesischer
Grenze bewegt.
Sorgen machen wir uns um Kurzi aus Altreu. Er wurde zuletzt in Gibraltar festgestellt. Seit einer Woche gibt es keine Lebenszeichen mehr von ihm.
Wir müssen wohl davon ausgehen, dass er tot ist. Auch Storch David aus Zürich liefert seit 3 Tagen keine Koordinaten mehr. Er wurde zuletzt nahe
Figueres in Nordspanien beobachtet, wo er sich über mehrere Tage hinweg alleine in einem Luzernefeld aufhielt. Hinsichtlich unserer Vögel in Gibraltar
hat sich nichts Neues ergeben, der Wind wehte dort heute in Sturmstärke. Zwei der vier Vögel, die sich bereits in Afrika befinden, haben grössere Strecken
zurückgelegt. Eugen ist jetzt im Süden von Mauretanien, nördlich der Stadt Nema, und Lise ist weit in den Westen Mauretaniens gezogen und übernachtet
etwa 160 km nordöstlich von Nouakchott. Die beiden anderen, Robert und Francis, sind heute nicht weitergezogen.
Gegen Mittag ist Peter Enggist, der Geschäftsführer der Schweizerischen Gesellschaft, in Malaga eingetroffen. Er hat vor etwa 1 Jahr das
Projekt „S.O.S. Storch“ auf den Weg gebracht, und ohne seinen unermüdlichen Einsatz wäre das Vorhaben bereits in der Planungsphase gescheitert.
Am Abend komme ich mit ihm in Tarifa an. Der Wind der letzten Tage hat sich zu einem handfesten Sturm ausgewachsen. Als wir auf dem Aussichtspunkt
über der Stadt stehen, fegen die Wolken nur wenige Meter über uns hinweg. Wir erleben ein unheimliches Schauspiel: Unter lautem Knattern sprühen aus
den Isolatoren der Hochspannungsmasten Funken, wahrscheinlich ausgelöst durch die Feuchtigkeit der Wolken, die zu Kriechströmen führt. Jeder
Storch, der bei solchem Wetter nahe der Isolatoren auf den Masten sitzt, wäre wahrscheinlich ein Todeskandidat. Unsere Beobachtung macht plausibel,
was mir ein Bauer bei Dos Hermanas schon vor 3 Tagen berichtete, dass nämlich gerade bei feuchtem Wetter die Störche nachts in grosser Zahl tot von
den Masten fallen.
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8.09.2000
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08.09.00, Estepona, Costa del Sol
Noch immer weht ein heftiger Wind über die Südspitze Spaniens. Dicke Wolken schieben sich hin und wieder vor die Sonne, und am späten
Nachmittag kühlt es deutlich ab. Kein Zugwetter. Dementsprechend tut sich auch nichts bei den Senderstörchen, die seit einigen Tagen in
Gibraltar ausharren.
Auch unsere Störche Ernst, Monika und Walter haben offenbar beschlossen, einen Ruhetag einzulegen. Sie haben die Camargue bisher
nicht verlassen. Team 2, Michael und Christian, waren heute abend in der Camargue unterwegs und wurden von Millionen Mücken geplagt,
konnten aber aufgrund des dünnen Strassen- und Wegenetzes in dem riesigen Sumpfgebiet die Vögel doch nicht ausfindig machen. Basilisk
aus Basel und Willy aus Hünenberg sind ein ganzes Stück weiter nach Süden gelangt. Sie haben die Pyrenäen überflogen und rasten heute
nacht in dem Ort Tona nahe Vic, nördlich von Barcelona. Karsten und Norbert von Team 4 konnten am späten Abend Basilisk auf einem
Baukran beobachten, Willy war vermutlich ganz in der Nähe. Helene ist inzwischen in Südspanien bei Valdepenas, Marie hat die Reisfelder
am Rand des Coto Donana Nationalparks verlassen und ist bis auf etwa 30 km an die Südspitze Spaniens herangekommen, und Kurt hat
beschlossen, die Nacht bei Malaga zu verbringen. Er ist alleine, wie Stephan und Olaf von Team 3 heute abend feststellen konnten. Ein
gutes Stück weitergekommen sind unsere Afrikaflieger: Robert aus Avenches hat in Mali den Nigerfluss erreicht und verbringt die Nacht
ganz in der Nähe von Timbuktu. Er hat somit als erster unserer Senderstörche das eigentliche Überwinterungsgebiet der westziehenden
Störche erreicht. Francis und Lise sind weiterhin in Mauretanien, etwa auf der Höhe von Nouadhibou, aber weit im Osten des Landes,
dicht an der Grenze nach Mali. Etwas weiter südlich in Mauretanien ist heute Eugen, etwa auf der Höhe von Nouakchott.
Für mich war heute „Waschtag“. Ich habe die Zeit auf dem Campingplatz in Tarifa ausgiebig genutzt, um nach mehreren Wochen endlich
mal wieder meine Garderobe auf Vordermann zu bringen. Von „perlweiss“ kann zwar auch nach dieser Aktion nicht die Rede sein, aber
zumindest kann ich mich nun mit meinen Klamotten wieder unter die Menschen wagen.
Seit dem späten Nachmittag bin auch ich wieder auf dem „Zug“, diesmal allerdings in Richtung Norden. Da ich morgen in Malaga sein muss,
bin ich, vorbei am wolkenverhangenen Felsen von Gibraltar, an der Küstenstrasse entlang der Costa del Sol bis nach Estepona gefahren.
Grosse Strecken am Stück kann ich nicht zurücklegen, da zwischendurch immer wieder die Daten abgerufen, analysiert und weitergeleitet
werden müssen. Telefon, SMS und eMail funktionieren heute einwandfrei - endlich mal wieder. Die Arbeit bis spät in die Nacht hinein
kann mich heute nicht schrecken, da ich einen wunderschön schattigen Stellplatz für meinen Bus gefunden habe, so dass ich morgen
in einem einigermassen kühlen Auto endlich mal wieder etwas länger schlafen kann.
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7.09.2000
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07.09.00, Tarifa, Südspitze Spaniens
Endlich! Als ich gegen Mittag Tarifa, den südlichsten Punkt unserer Reise mit den Störchen, erreiche, führt mich mein erster Weg auf die Aussichtsplattform hoch
über der Stadt. Unter mir läuft die Felsküste der Südspitze Spaniens in die tiefblaue und vom starken Südostwind heftig wellenbewegte Strasse von Gibraltar aus,
und 14 Kilometer entfernt ragen die klotzigen Gebirge Marokkos aus dem Meer. Weit ist es an dieser Stelle nicht von Europa nach Afrika, aber trotzdem kein
Katzensprung. So ähnlich müssen es unsere Störche empfinden, wenn sie bei guter Thermik und günstigem Wind den Flug zum schwarzen Kontinent wagen.
Heute sind über der Strasse von Gibraltar keine Störche zu sehen. Mit Stärke 5 bis 6 weht der Wind heftig aus Südost. Bei solchen Wetterverhältnissen wäre der
Flug über die Meerenge zu gefährlich und anstrengend. Seit Tagen warten deshalb Werner, Jeannot, Daniel und Bodi, unsere Senderstörche, zusammen mit vielen
Artgenossen, im Hinterland auf günstigeres Wetter. Ob morgen oder nächste Woche, wenn der Wind einschläft oder dreht, dann werden sie gemeinsam starten
und wenige Stunden später Marokko erreicht haben.
Auf einem ruhigen Campingplatz ausserhalb des Städtchens Tarifa beziehe ich mein Quartier. Einige Stunden dauert es, bis ich die „Datenmisere“ des gestrigen
Abends aufgearbeitet habe. Bald muss ich feststellen, dass die technischen Probleme des Mobilfunkbetreibers leider noch immer nicht vollständig gelöst sind.
Trotzdem bin ich entschlossen, mir die gute Laune nicht wieder verderben zu lassen. Beim Sonnenuntergang am Atlantik lasse die letzten Wochen Revue passieren
und komme zu dem Schluss, dass eigentlich alles doch sehr gut gelaufen ist.
Als die ersten Daten des Abends schliesslich auf Umwegen in meinem Computer einlaufen, stelle ich fest, dass sich vor allem bei den neu abgezogenen Störchen
einiges anders entwickelt hat, als aufgrund der gestrigen Datenlage zu vermuten war. Ernst und Monika aus Uznach und Walter aus Oetwil ziehen jetzt offenbar
gemeinsam und rasten heute nacht in der Camargue. Basilisk aus Basel und Willy aus Hünenberg haben es immerhin bis Montpellier geschafft, auch sie haben
sich anscheinend zusammengeschlossen. Der Zug in Spanien verlief heute unauffällig, Marie aus Ungersheim hat, wie ich erwartete, die Reisfelder erreicht, in denen
Heinz sich seit Tagen den Magen mit Krebsen vollschlägt. Die Senderstörche, die bereits in Afrika sind, haben heute teilweise erhebliche Strecken zurückgelegt.
Francis und Lise sind in Nord-Mauretanien, an der Grenze zu Mali, Eugen hat sich in Mali ein ganzes Stück weiter nach Süden bewegt, und Robert befindet sich bereits
im Zentrum von Mali. Er dürfte die Sahara bald überwunden haben.
Leider sieht nicht alles rosig aus. Kurzi aus Altreu, der zuletzt in Gibraltar festgestellt wurde, liefert seit einigen Tagen keine Satellitendaten mehr. Auch unsere
Peilteams konnten ihn, trotz intensiver Nachsuche, nicht finden. Wir müssen befürchten, dass er zu Tode gekommen ist. Und auch das Schicksal von David aus
dem Zoo Zürich ist derzeit ungewiss. Die wenigen Daten, die eintreffen, lassen vermuten, dass er sich unverändert am gleichen Ort bei Figueres in Nordost-Spanien
aufhält - ungewöhnlich für einen Storch auf dem Zug.
Team 3, Michael und Christian, haben gestern in einer Gewalttour mit dem Geländewagen die Strecke Gibraltar-Montpellier zurückgelegt und werden ab morgen die
letzten Störche begleiten, die die Schweiz verlassen haben. Team 4, Karsten und Norbert, verfolgten bis heute Kurt aus Uznach, der ohne grosse Eile nahe der
Mittelmeerküste nach Süden zockelte. Auch sie werden morgen gen Norden fahren, um einige der neuen „Zieher“ zu „übernehmen“. Stephan und Olaf von
Team 3 werden weiterhin in Südspanien Stellung halten und die Störche im Auge behalten, die hier an verschiedenen, mehr oder weniger gefährlichen, Orten rasten.
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6.09.2000
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06.09.00, nahe Cadiz, Südspanien
Technik ist was Schönes, solange sie funktioniert. Leider tut sie das nicht
immer. So wie heute: Am frühen Abend, zu einer Zeit, zu der normalerweise die
meisten und spannendsten Satellitendaten des Tages über das Mobiltelefon per SMS
eintreffen, war plötzlich Funkstille. Ein Anruf mit dem Handy eines Kollegen
ergab, dass mein Mobilfunkprovider D2 Mannesmann schwerwiegende Probleme mit der
Auslandskommunikation hat. Angeblich sollte die Sache nach 2 Stunden behoben
sein. Guten Mutes wartete ich, aber selbst jetzt, um 3 Uhr morgens, bleibt mein
Telefon tot.
Unser Projekt ist damit für heute lahmgelegt. Ich kann weder Daten an die Teams
weiterleiten noch kann ich mit den Teams kommunizieren. Für solche Notfälle habe
ich zwar ein Satellitentelefon dabei. Aber jetzt, mitten in der Nacht, finde ich
niemanden, der mir die benötigten Informationen telefonisch durchgeben könnte.
Ärgerlich, vor allem, da gestern mehrere Störche aus der Schweiz abgezogen sind
und Team 2 sich von Gibraltar aus auf den langen Weg nach Südfrankreich gemacht
hat, um diese Vögel ab morgen früh zu begleiten. Ärgerlich auch, dass heute
Nacht die Karten der Zugwege nicht aktualisiert werden können. Ich hoffe, dass
Sie zumindest diesen kurzen Tagebucheintrag morgen auf unserer website
vorfinden. Nach längerem Tüfteln denke ich, dass es jetzt gelingen wird, ihn per
Satellitentelefon in die Schweiz zu übersenden.
Doch jetzt zum eigentlichen Thema: Zusammen mit Team 3 habe ich bis zum frühen
Nachmittag die Unglücksmasten bei Dos Hermanas auf Film und Foto dokumentiert.
Zusammen mit den Zahlen, die Stephan und Olaf erhoben haben, werden die Bilder
wohl hoffentlich bewirken, dass bald etwas zur Sicherung der Masten geschieht.
Gegen Abend dann machten wir uns auf die Suche nach Storch Heinz, der sich in
den letzten Tagen beständig am Rande des Nationalparks Coto Donana aufgehalten
hatte. Wir fanden ihn in einer Landschaft, die uns nach den deprimierenden
Eindrücken von gestern und heute Vormittag wunderschön vorkam. Zusammen mit weit
über tausend anderen Störchen hielt Heinz sich in überfluteten Reisfeldern auf.
Die Vögel ernähren sich dort fast ausschliesslich von einer Krebsart
(Procambarus clarkii), die vor längerer Zeit aus Amerika eingeschleppt wurde.
Nahrung gibt es also in Hülle und Fülle. Kurz vor Sonnenuntergang flogen alle
Störche auf, überflogen unseren Standort in einer nicht endenwollenden Kette,
und landeten schliesslich auf den vielen Steineichen, die gut geschützt auf dem
Gelände einer hochherrschaftlichen Hazienda stehen.
Ich denke, dass sowohl unser Senderstorch Heinz als auch Edouard den Winter hier
im Süden Spaniens verbringen werden. Jetzt, wo sie sich grossen Trupps
spanischer und portugiesischer Brutvögel angeschlossen haben, von denen seit
einigen Jahren viele, wie man uns erzählte, in ihrer Brutheimat überwintern,
werden sie es ihren iberischen Artgenossen wahrscheinlich gleich tun.
Gerade habe ich noch mal die wenigen mir vorliegenden Koordinaten überprüft, um
zu sehen, ob ich Ihnen wenigstens zu einigen der Senderstörche heute nacht schon
etwas mitteilen kann. Aber wie ich es auch drehe und schiebe, Neuigkeiten lassen
sich aus den mageren Daten nicht ablesen. Wir werden das morgen nachholen.
Nachtrag zum 06.09.00
Erleichterung: als ich nach 3 Stunden Schlaf am Strassenrand irgendwo zwischen Cadiz und Tarifa aufwachte, funktionierte das Telefon
wieder. Ein paar Stunden später war die während der D2-Panne aufgelaufene Datenflut abgearbeitet. Ich bin - endlich - wieder im
Bilde und kann deshalb im folgenden die Situation am Abend des 06.09. kurz skizzieren:
Alle Senderstörche, mit Ausnahme von Emmi, die seit Wochen keine Signale mehr liefert, haben inzwischen die Schweiz verlassen.
Die 5, die erst kürzlich abgezogen sind, befinden sie noch in Frankreich: Ernst aus Uznach und Walter aus Oetwil sind im oberen
Rhonetal, etwa auf der Höhe von Valence. Basilisk aus Basel, Willy aus Hünenberg, und Monika aus Uznach haben Südfrankreich
erreicht und übernachten etwa auf der Höhe von Narbonne. In Spanien nördlich von Gibraltar halten sich derzeit 6 unserer Sendervögel
auf: Helene aus Oberwil wurde nahe Barcelona festgestellt, Kurt aus Uznach südöstlich von Albacete. Marie aus Ungersheim befindet
sich zwischen Cordoba und Sevilla, bei dem Städtchen Palma del Rio. Offenbar steuert sie die Region um Sevilla an, in der sich bereits
seit mehreren Tagen die Senderstörche Edouard und Heinz aufhalten. David aus Zürich hat seinen Aufenthaltsort nahe Figueres in
Nordost-Spanien bisher nicht verändert.
5 Senderstörche sind noch immer in Gibraltar, wahrscheinlich warten sie mit dem Überflug nach Marokko, bis der starke Südostwind
abklingt: Werner aus Avenches, Jeannot aus Ottenbach, Bodi aus Kreuzlingen sowie Kurzi und Daniel aus Altreu. Und in Afrika sind
weiterhin nur 4 unserer Störche unterwegs: Eugen aus Altreu hat kaum Strecke gemacht und ist jetzt knapp im Norden Malis. Francis
aus Ungersheim und Lise aus Altreu sind beide im nördlichen Zipfel Mauretaniens, möglicherweise im gleichen Trupp. Robert aus
Avenches ist noch immer der am weitesten gereiste unserer Senderstörche. Er hält sich Norden Malis auf.
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5.09.2000
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05.09.00, Dos Hermanos, nahe Sevilla, Südspanien
Heute war ein heisser Tag - in jeder Hinsicht. Von meinem herrlichen Schlafplatz in über 1.000 m Höhe ging es steil bergab - und in Andalusien,
nahe Sevilla, waren die Temperaturen um einige Grad höher. Mein GPS-Empfänger führte mich geradewegs zu Stephan und Olaf von Team 4, die
schon auf mich warteten. Wir wollten uns heute gemeinsam die Gebiete ansehen, in denen sie unter Mittelspannungsmasten mehr als 130 tote Störche gefunden hatten.
Auf den ersten Blick wirkte die Sache gar nicht so dramatisch. OK, da lagen die Überreste von 5 toten Störchen unter einem Mast - bei fast 40
Grad im Schatten nichts, was einen vom Hocker reisst. Aber wir gingen zum nächsten Mast, wo 3 Storchenleichen lagen, zum übernächsten, wo es 7 tote
Störche gab, und so weiter, und so weiter... Tote Störche unter jedem Mast, und Masten gibt’s hier ohne Ende. Mittelspannungsmasten, mit extrem
kurzen waagrechten oder hängenden Isolatoren, die für jeden grösseren Vogel eine tödliche Gefahr sind. Fast alle Leichen lagen in unmittelbarer
Nähe der Masten, waren also Stromopfer, und nur wenige fanden sich unter den Leitungen, als Opfer von Kollisionen mit den Kabeln. Häufig war es
schwierig, die toten Vögel überhaupt zu finden. Die Felder wurden erst kürzlich gepflügt, und die Zahl der toten Störche ist so hoch, dass niemand
etwas dabei findet, die Kadaver einfach unterzupflügen. Ein Bauer, mit dem wir sprachen, erzählte uns, dass das, was wir jetzt vorfinden, nur die
Spitze des Eisbergs sei. Wenn wir wirklich viele tote Störche sehen wollten, sagte er, dann müssten wir im Winter wiederkommen. Die Reisfelder
seien dann trocken, und alle Störche der gesamten Region würden sich an der nahe gelegenen Müllkippe zur Nahrungssuche versammeln. Nachts
kämen sie dann in Scharen zum Schlafen auf die Mittelspannungsmasten. Vor allem bei feuchtem Wetter und bei Nebel sei es dann wegen der
Kriechströme nichts ungewöhnliches, in drei Tagen 15 tote Störche unter einem einzigen Masten zu finden. Jetzt, im Sommer, sei das eher selten.
Trotzdem hätte vor 3 Wochen ein Storch, der vom Stromschlag getroffen tot von einem Mast fiel, ein Stoppelfeld in Brand gesetzt. Unglaubliche
Geschichten, die ich in jedem anderen Fall als Jägerlatein abgetan hätte. Das jedoch, was man hier zu sehen bekommt, nimmt einem jeden Zweifel.
Hunderte, wenn nicht tausende von Weissstörchen müssen in dieser Region alljährlich den Freileitungen zum Opfer fallen.
Irgendwo hier draussen, nicht weit entfernt von den Todesleitungen, rastet zusammen mit hunderten von Artgenossen auch unser Senderstorch
Edouard. Wie die anderen Störche hier sucht auch er täglich die Mülldeponie auf, und zusammen mit ihnen fliegt er allabendlich zum Übernachten
auf Leitungsmasten. Mit Stephan und Olaf konnten ich sein Sendersignal kurz im Gonimeter hören. Offenbar lebt er noch. Hoffen wir, dass er der
Todesfalle unbeschadet entkommt.
Akribisch haben Stephan und Olaf über jeden Masten Buch geführt. Tagelang haben sie die Leitungen abgelaufen und mit vielen Bauern und Hirten
Gespräche geführt, um zusätzliche Informationen zu erhalten. Unsere „Sunny Boys“, immer gut gelaunt und begeistert von ihrer Aufgabe, haben tolle
Arbeit geleistet. Jetzt freuen sie sich darauf, nach Gibraltar zurückzukehren und wieder mal lebende Störche zu telemetrieren. Nach einem Tag an den
Todesleitungen von Dos Hermanos kann ich diesen Wunsch voll verstehen.
In der Schweiz herrschte heute, nach mehreren kalten Tagen, endlich wieder schönes Wetter. Prompt haben sich daraufhin fast alle verbliebenen Störche
auf die Reise gemacht. Basilisk aus Basel und Willy aus Hünenberg sind bereits östlich von Lyon, Walter aus Oetwil ist in der südwestlichen Schweiz
nördlich des Genfer Sees. Wahrscheinlich sind auch Ernst und Monika aus Uznach heute aufgebrochen, die Qualität der Satellitendaten ist jedoch zu
unsicher, als dass wir bereits jetzt endgültiges sagen könnten. Sollten sich die Beiden wirklich auf die Reise gemacht haben, dann ist Emmi aus
Kreuzlingen der letzte unserer 25 Senderstörche, der bisher noch nicht ziehend festgestellt werden konnte. Ihr Sender hat allerdings bereits vor
Wochen die Arbeit eingestellt. Vielleicht ist sie längst tot.
In Gibraltar halten sich inzwischen 5 besenderte Störche auf: Werner aus Avenches, Jeannot aus Ottenbach, Bodi aus Kreuzlingen, und Daniel
und Kurzi aus Altreu. Kurzi allerdings hat bereits seit mehreren Tagen keine Signale mehr geliefert, und wir befürchten, dass er einem Unfall zum
Opfer gefallen ist. Trotz intensiver Arbeit unserer Teams konnte er bisher nicht gefunden werden.
Die „Afrikareisenden“ sind weiterhin fleissig auf Achse, und Robert, der südlichste unserer Störche, ist an der Grenze Algerien-Mali angekommen.
Wahrscheinlich steht er mir einem Bein bereits in Mali und hofft, die Sahara bald überwunden zu haben. Auch Eugen ist fast in Mali, und Lise und
Francis halten sich fast im gleichen Gebiet im „Vierländereck“ Marokko, Algerien, Spanisch Sahara und Mauretanien auf. Entweder sind sie tatsächlich
im gleichen Trupp, oder es gibt dort Heuschreckenschwärme oder andere gute Nahrungsquellen, die sie an den gleichen Ort gelockt haben.
Marie ist inzwischen in Zentralspanien, sie hat den gefährlichen Aufenthalt bei Lerida offenbar überlebt. Helene ist an der Mittelmeerküste knapp südwestlich
von Montpellier, und Kurt zieht gerade in Norspanien an der Mittelmeerküste zwischen Vendrell und Tarragone entlang. Die nächsten Tage werden
noch mal spannend werden.
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4.09.2000
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04.09.00, nahe Ronda, zwischen Marbella und Sevilla
Schmetterlinge sind was schönes. Auch Nachtschmetterlinge. Aber wenn sie zu hunderten auf meiner Computertastatur rumkrabbeln,
den Bildschirm verdecken und in meinem Weinglas ertrinken, dann werden sie lästig. Meine „Schreibtischlampe“ ist offenbar das
einzige Licht weit und breit, und da kann keine Motte wiederstehen...
Ich war schon fast in Gibraltar, da erreichte mich die Nachricht, dass ich morgen für das schweizerische Fernsehen Filmaufnahmen
am „Storchenfriedhof“ nahe Sevilla drehen sollte. Also habe ich in Marbella die Autobahn verlassen und bin nun über die Berge
Südspaniens nach Nordwesten unterwegs. Die Landschaft hier ist traumhaft. Als ich nahe Ronda mein Nachtlager aufgeschlagen
hatte, ging die Sonne hinter den Bergen unter. Das Foto , das ich dabei machen konnte, spricht für sich - es erscheint deshalb heute
ausnahmsweise mal etwas grösser auf der website - entschuldigen Sie bitte die etwas längere Ladezeit..
Besonderes ist heute nicht passiert. Gut für unsere Störche, muss man wohl sagen. Mal abgesehen von Storch Kurzi aus Altreu:
Er hat den Weg bis nach Gibraltar ohne grössere Blessuren hinter sich gebracht. Seit 2 Tagen jedoch meldet sich sein Sender
nicht mehr. Oft ist das ein schlechtes Zeichen. Peilteam 2, Stephan und Olaf, sind bereits unterwegs, um zu versuchen, ihn mit den
Bodenpeilgeräten zu finden. Bisher hatten sie keinen Erfolg...
Neues gibt es natürlich immer. Da ist beispielsweise Helene aus Oberwil. Wochenlang haben die Satellitenkoordinaten immer exakt
auf ihren Besenderungsort gewiesen. Seit heute erhalten wir von ihr Koordinaten aus Lyon und dem Rhonetal. Kein Zweifel, sie hat
sich auf den Weg gemacht. Gerechnet habe ich damit heute noch nicht - und deshalb ist derzeit auch kein Peilteam verfügbar, um
ihren Zug genau mitzuverfolgen. Das „neue“ Team 4, Karsten und Norbert, stehen allerdings in Nordspanien in den Startlöchern und
sind bereit, bei Bedarf schnell den weiten Weg nach Frankreich zurückzulegen.
Noch immer sind 4 unserer Sendervögel in Nordafrika unterwegs. Eugen aus Altreu ist tief nach Algerien hinein gezogen, Francis aus
Ungersheim ist im Südosten Marokkos angekommen. Lise aus Altreu hat inzwischen die südlichen Regionen Marokkos erreicht.
Robert aus Avenches ist bisher am weitesten gezogen und hält sich inzwischen fast an der Südwestgrenze von Algerien auf.
Für Storch Daniel aus Altreu sind es nur noch wenige Kilometer bis nach Gibraltar. Marie aus Ungersheim hat sich von Lerida erst
mal verabschiedet und hält sich im Ebrotal südöstlich von Zaragoza auf. Und Kurt aus Uznach ist in einem Dorf in der Nähe von
Tarragona, wo Team 4 ihn und seine „Wandergenossen“ begeistert auf der mit Scheinwerfern angestrahlten Kirche beobachten.
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3.09.2000
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03.09.00, nahe Cullar, zwischen Murcia und Granada / Südspanien
Noch etwa 100 km bis Granada. Damit habe ich Südspanien erreicht. Ich campiere etwas abseits der Schnellstrasse Murcia-Granada, auf
einem abgeernteten Getreidefeld. 1.200 m hoch gelegen ist das Gebiet, angenehm kühl, der Generator tuckert und liefert mir Netzstrom für
die Arbeit am Computer. Trotzdem fühle ich mich ein wenig unwohl. Überall stehen hier Schilder, die auf die guten Jagdmöglichkeiten
hinweisen, und obwohl es inzwischen fast Mitternacht ist, knallen um mich herum Schüsse. Ich weiss nicht, was man in dieser
rabenschwarzen Nacht jagen kann, und ich hoffe, dass nicht zufällig eine frustrierte Jagdgesellschaft an meinem Auto vorbeikommt.
Der Aufkleber „S.O.S. Storch“ lässt keinen Zweifel daran, dass ich im Auftrag des Naturschutzes unterwegs bin. Und auf Naturschützer
ist man in hiesigen Jägerkreisen sicher nicht besonders gut zu sprechen....
Gestern habe ich berichtet, dass unser Team 3 unter Mittelspannungsleitungen in der Nähe des Nationalparks Coto Donana 87 tote
Weissstörche gefunden hat. Leider ist selbst diese unglaublich hohe Zahl inzwischen längst überholt. Stephan und Olaf haben ihre
Begehung der Masten im Untersuchungsgebiet heute fortgesetzt, und gerade erhalte ich die Nachricht, dass sie inzwischen 131 (!) tote
Störche gefunden haben, darunter 123 unter Mittelspannungsmasten. Eine unglaubliche Zahl, die fast der Hälfte der schweizerischen
ziehenden Storchenpopulation entspricht! Ringe, die Stephan und Olaf gefunden haben, weisen darauf hin, dass überwiegend spanische
und portugiesische Störche betroffen sind. Die Tatsache, dass Storch Edouard aus Altreu (nicht Heinz, wie ich gestern fälschlicherweise
behauptet habe - die Müdigkeit fordert morgens um 3 Uhr ihren Tribut) sich in genau diesem Gebiet aufhält, macht jedoch klar, dass die
Stormleitung auch für die kleine schweizerische Storchenpopulation eine grosse Gefahr sein kann. Vielleicht werden die akribisch
erhobenen Zahlen unseres Teams dazu führen, dass dieser Gefahrenpunkt endlich beseitigt wird.
Unseren Senderstörchen scheint es in Gibraltar langweilig zu werden. Mehr und mehr von ihnen wagen den Sprung nach Afrika. 4
Senderstörche haben inzwischen die Strasse von Gibraltar überflogen: Robert aus Avenches, der inzwischen in der algerischen
Sahara ist, Eugen aus Altreu, der sich nahe der marokkanisch-algerischen Grenze auf der Höhe von Agadir aufhält, Francis aus dem
Elsass, der Nachtquartier nahe Meknes bezogen hat, und Lise aus Altreu, die zwischen Meknes und Rabat geortet wurde.
Diese neue Situation machte es für uns erforderlich, mit Umstrukturierungen der Peilteams zu reagieren. Joachim, Leiter des Teams 1,
wird, finanziert von seinem Auftraggeber IFCDW in Marokko, den Zug der Senderstörche durch Marokko überwachen. Er muss deshalb
bereits morgen Team 1 verlassen. Sein Mitstreiter, Christian, wird zu Team 2 wechseln und dort Daniel ersetzen, der aus beruflichen
Gründen in die Schweiz zurückkkehren muss - sein Jahresurlaub, den er für die Zugbegleitung als Volontär geopfert hat (!), läuft aus.
Es wird also in den nächsten Wochen nur noch drei Peilteams geben, Team 1 wird nicht mehr existieren. Schade, aber die neue
Situation erfordert diese Veränderungen. Joachim wird uns weiterhin erhalten bleiben und uns aus Marokko mit Ergebnissen
versorgen, und Daniel wird sicher im nächsten Jahr wieder dabei sein. Es war eine super Sache, mit ihm zusammen zu arbeiten.
Und noch ein Wechsel hat stattgefunden. Bereits vorgestern ist aus Gesundheitsgründen Valerie Peche aus Team 4 abgereist.
Sie hat mitgemacht, so lange es nur irgend ging und dabei tolle Arbeit geleistet. Die Aufklärung des Unfalls am Wasserturm war
zu einem guten Teil ihr Verdienst. Seit heute abend hat der Teamleiter Karsten Kohls Ersatz bekommen. Norbert Kempf aus
Deutschland ist in Barcelona angekommen und bereits mit Karsten unterwegs, um am Col de la Perche den Storch Kurt aus
Uznach in Empfang zu nehmen.
Was gibt es sonst Neues? Marie aus Ungersheim/Elsass hat sich in die gefährliche Region um Lerida gewagt. Daniel aus Altreu
ist in Spanien etwas weiter nach Süden gelangt, und Kurt aus Uznach hat die Region um den Col de la Perche erreicht. Unsere
Teams sind dran - wie gewohnt.
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2.09.2000
Foto 31
02.09.00, Altea, etwa 80 km NE vom Alicante
Das war ein Tag! Die Meldungen überschlugen sich, vom frühen Morgen an. Zuerst die Nachricht aus Südspanien von Team 2: „Haben
Abschuss von Weissstorch beobachtet. Näheres telefonisch“. Beim Anruf dann die genauere Schilderung: Michael und Daniel
beobachteten einen fliegenden Storchentrupp. Plötzlich ertönte ein Schuss, und im gleichen Augenblick stürzte einer der Vögel wie vom
Blitz getroffen zu Boden. Die beiden machten sich auf die Suche nach dem Vogel. Sie fanden ihn, es gab eindeutige Spuren, die darauf
hinwiesen, dass jemand eilig versucht hatte, das Tier vor ihrem Eintreffen zu vergraben. Aber ein Flügel war gebrochen, und auch andere
Anzeichen liessen es möglich erscheinen, dass der Storch eventuell mit der nahen Freileitung kollidiert war. Michael und Daniel gelang das
Kunststück, in der gottverlassenen Gegend am Wochenende einen Tierarzt aufzutreiben. Das Röntgenbild war eindeutig: 7 Schrotkugeln
steckten in dem toten Vogel. Damit ist belegt, dass auch in Spanien Störche von „Sportschützen“ getötet werden.
Kurz darauf eine SMS von Team 3: „Position 37.23/-5.88. Haben Storchenfriedhof entdeckt. Mittelspannungsleitung. Bis jetzt 11 Totfunde
und kein Ende in Sicht. Noch keine Ringe gefunden. T3“. 11 Leitungsopfer - einen deutlicheren Hinweis auf eine eminent wichtige
Gefahrenstelle und auf die Notwendigkeit, umgehend Schutzmassnahmen einzuleiten, konnte es kaum geben - dachte ich. Ich informierte per
eMail unseren Pressereferenten, Kurt Anderegg, in der Hoffnung, dass er bis Montag einen entsprechenden Bericht platzieren könne.
Aber Stephan und Olaf gaben nicht locker. Sie suchten das Gebiet weiter ab und kamen Stunde für Stunde mit neuen schockierenden Zahlen.
Um 19 Uhr erreicht mich dann die endgültige Bilanz: „87 Totfunde, davon 80 unter 94 Mittelspannungsmasten. Ringe: 4 Spanier, 2 Portugiesen,
2 unbestimmt. Freier Abend? T3“. Den freien Abend hatten sich Stephan und Olaf redlich verdient. Das Ergebis ihrer heutigen Arbeit wird
wesentlich helfen, eine weitere wichtige Gefahrenstelle für die ziehenden Störche zu entschärfen. Wir können nur hoffen, dass es für den
Senderstorch Heinz, der sich ebenfalls in dem gefährlichen Gebiet aufhält, dann nicht zu spät ist.
Ich habe heute meine Fahrt Richtung Süden fortgesetzt und bin jetzt in Altea, einem furchtbar überlaufenen Badeort nahe Benidorm, 80 km
nordöstlich von Alicante. Erschreckend, wie man die wunderschöne Landschaft hier an der Costa Blanca mit Hotelburgen und Millionen von
Bungalows zugebaut hat. An der Küste ist es heiss und schwül, und beim spartanischen Abendessen in meinem fahrbaren Büro fällt mir auf,
dass ich nun seit etwa 5 Wochen unterwegs bin. Ein paar Tage „Heimaturlaub“ zwischendurch wären nicht schlecht...
Unsere Senderstörche kommen recht zügig voran. Eugen aus Altreu hat heute als zweiter die Strasse von Gibraltar überquert und das Zentrum
Marokkos erreicht. Robert aus Avenches ist bereits im Nordwesten von Algerien angekommen. Lise aus Altreu übernachtet heute auf der Südspitze
Spaniens, so dass dort jetzt trotz Eugens frühem Start nach Afrika wieder insgesamt 6 Störche auf die Überquerung der Strasse von Gibraltar warten.
Und Kurt, der erst kürzlich aus Uznach abgeflogen ist, hat bereits die Mittelmeerküste bei Montpellier (Südfrankreich) erreicht. Wenn sich die 6 noch
in der Schweiz verweilenden Senderstörche nicht bald auf die Reise machen, dann könnten bereits in etwa 1 Woche alle ziehenden Senderstörche in
Gibraltar oder Nordafrika sein.
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1.09.2000
Foto 28
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Foto 30
01.09.00, Vinaros, an der Mittelmeerküste zwischen Tarragona und Valencia
“On the road again...“. Seit heute Nachmittag bin ich wieder unterwegs. Mein Nachtlager bzw. meinen abendlichen Arbeitsplatz
habe ich bei Vinaros, etwa auf halbem Weg zwischen Tarragona und Valencia, aufgeschlagen. Ich will versuchen, in der kommenden
Woche die Südspitze Spaniens zu erreichen. Stephan und Olaf von Peilteam 3 sind seit Tagen in der Umgebung des Nationalparks Coto Donana hinter mehreren Sendervögeln her, und ich muss mich dringend mit ihnen treffen.
Team 2, Michael und Daniel, haben heute den Storch Gantenbein in Südspanien aufgespürt. Er lebt, stand mit seiner schweren
Beinverletzung einsam und geschwächt in einem fast ausgetrockneten Flussbett. Michael wirft seine Kleider ab und stürzt sich in
die trübe Brühe, um den Vogel zu greifen. Seine SMS-Nachricht an mich im Originalton: „14:10 Uhr Gantenbein eingefangen.
Bin bis zum Schnidelwutz im Schlamm versunken....“ Die Beinwunde ist bereits voll mit Maden. Beim Tierarzt wird die Wunde
gereinigt und der Vogel bekommt Antibiotika injiziert. Nach Ansicht des Arztes wird es mindestens 1 Woche dauern, bis der
Vogel wieder genesen ist, wenn er die Infektion überhaupt überlebt. Den Sender nehmen Michael und Daniel von Gantenbein ab,
da derzeit nicht absehbar ist, ob er überhaupt weiterziehen wird.
Es ist schon erstaunlich. Niemand von uns hatte erwartet, dass es gelingen würde, über so lange Zeit alle ziehenden Störche
unter Beobachtung zu halten. Und schon gar nicht hatten wir damit gerechnet, die teuren Sender von toten oder verletzten
Vögeln sicherstellen zu können. Trotzdem ist beides bisher in vollem Umfang gelungen. Die Sender aller drei bisher verunglückten
Vögel und des schwer erkrankten Gantenbein haben wir geborgen, und von jedem einzelnen Senderstorch wissen wir, wo er sich
aufhält. Mit dem Fortgang des Projekts bin ich mehr als zufrieden. Hoffen wir, dass es so bleibt.
In den letzten Tagen habe ich viel über die Techniken geschrieben, mit denen wir die Satellitensender vom Boden aus orten. Sicher
fragt sich der eine oder andere Leser, wie nun eigentlich ein solcher Sender aussieht. Deshalb finden Sie zu diesem Beitrag ein paar
Fotos, die während der Senderanbringung entstanden sind. Etwa 55 Gramm wiegen die Satellitensender einschliesslich des Geschirrs,
mit dem sie dem Vogel wie ein Rucksack umgelegt werden. Die Befestigungsmethode wurde intensiv getestet, und wir können deshalb
sagen, dass Sender und Geschirr die Vögel nicht beeinträchtigen.
6 unserer Sendervögel sind noch in der Schweiz und haben noch nicht mit dem Zug begonnen. 2 Sendervögel ziehen soeben durch
Frankreich. 3 halten sich gerade in Nordspanien auf, und 3 haben die Südhälfte Spaniens erreicht. 6 Sendervögel sind derzeit auf der
Südspitze Spaniens in der Umgebung von Gibraltar, und einer hat bereits den Sprung nach Afrika gewagt. 3 unserer Vögel sind tot
(allesamt Opfer von Freileitungen), einer ist so schwer verletzt, dass er nicht weiterziehen kann. 1 Sender ist wahrscheinlich seit 2
Wochen defekt, vermutlich hält sich der Vogel noch in der Schweiz auf.
Fast alle Vögel, die bereits zwischen der Schweiz und Gibraltar unterwegs sind, haben heute ihren Zug fortgesetzt. Neu ist, dass
Storch Kurt aus Uznach aus der Schweiz abgezogen ist. Er hält sich heute im nördlichen Rhonetal auf. Robert zieht es auch in
Marokko weiter nach Süden; er ist inzwischen etwa in der Landesmitte angekommen, auf der Höhe von Marrakech.
Die anderen 6 „Gibraltar-Urlauber“ haben offenbar noch immer Hemmungen, die Meerenge zu überfliegen. Täglich mehr
Senderstörche kommen an der Südspitze Spaniens an, möglicherweise werden dann an einem günstigen Tag viele
gemeinsam die Strasse von Gibraltar überqueren.
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