31.08.2000
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31.08.00, auch heute nochmal in Lerida, Nordspanien Manchmal besteht biologische Feldforschung einfach nur aus Warten. Der Server von Argos, von dem wir die Kordinaten unserer Senderstörche erhalten, ist heute vom Vormittag bis 13 Uhr abgeschaltet. Das heisst, keine Daten, obwohl in den verschiedensten Ecken Spaniens unsere Peilteams ungeduldig auf neue Informationen über die Aufenthaltsorte der Störche warten. Joachim und Christian von Peilteam 1 nutzen die Auszeit, um mit Albert Gispert Guinjoan das weitere Vorgehen für den Schutz der ziehenden Weissstörche in der Region Lerida zu besprechen. Albert ist Mitglied der „Associacion d’Amigos del Centro de Recuperation de Fauna Salvaje de Vallcalent“ und erfasst seit Jahren die Todesfälle von Weissstörchen an elektrischen Freileitungen. Seiner engagierten Arbeit ist es zu verdanken, dass über Jahre hinweg die Weissstorchverluste an den Freileitungen akribisch dokumentiert wurden. Ich besuche eine der offenen Mülldeponien in der Region Lerida und kann dort prompt einen Trupp von etwa 40 Weissstörchen beobachten. Am Himmel sind die segelnden Vögel ein wunderschöner Anblick, am Boden, zwischen Müll- und Essensabfällen, sehen sie weniger beeindruckend aus. Aber es ist Realität, dass Müllplätze inzwischen zu den wichtigsten Weissstorch-„Nahrungsbiotopen“ in Spanien zählen. Storch Robert aus Avenches sich heute als erster unserer Senderstörche zur Überquerung der Strasse von Gibraltar durchgerungen und hat Afrika erreicht. Er übernachtet in Marokko nördlich der Stadt Meknes. Robert ist einer der Störche, die den Unfall am Wasserturm in Südfrankreich überlebt haben. Um so mehr freut es uns, dass er die ersten Etappe seines Zuges so zügig gemeistert hat. Der Trupp mit Jeannot, Kurzi und Eugen hält immer noch zusammen und ist inzwischen an der Südspitze Spaniens angekommen. Auch Edouard aus Altreu ist in Südspanien, etwa 180 km nördlich von Gibraltar. Bodi aus Kreuzlingen übernachtet heute auf der Höhe von Granada, Heinz ist, wie schon gestern, auch heute am Rande des Nationalparks Coto Donana. Lise wurde zwischen Toledo und Murcia festgestellt, Daniel nahe Figueres in Nordspanien. Marie, die erst kürzlich aus dem Elsass „abgereist“ ist, ist heute nahe Nimes in Südfrankreich. Storch Gantenbein, der noch vorgestern mit einer schweren Beinverletzung beobachtet wurde, hat seinen Aufenthaltsort in Südspanien seit gestern wahrscheinlich nicht verändert. Wir befürchten, dass er seine Verletzung nicht überlebt hat. Eines der Teams ist unterwegs und versucht, sein Schicksal aufzuklären. TOP 30.08.2000 Foto 20 Foto 21 Foto 22 Foto 23 30.08.00, noch immer Lerida, N-Spanien Das Wetter ändert sich allmählich. Die Temperaturen sinken etwas, gelegentlich regnet es mit heftigen Gewittern, und die Luft ist sauber und klar. Angenehm hochsommerlich - so macht das Leben im Freien Spass. Eigentlich war das heute wieder ein „ganz normaler Tag“ im Projekt „S.O.S. Storch“. Keine Pannen, die Technik funktionierte, und die Peilteams hatten keine Probleme, ihren Vögeln bis zu den Schlafplätzen zu folgen. Karsten und Valerie von Team 4 sind in Südfrankreich, Stephan und Olaf (Team 3) halten sich nahe Cadiz in Südwestspanien auf, und Michael und Daniel von Team 2 sind wieder mal nur wenige Kilometer nördlich von Gibraltar angekommen. Team 1 ist zusammen mit mir in Lerida in Nordspanien - doch dazu später mehr. Beim Storchenzug gab es heute „keine besonderen Vorkommnisse“. Storch Marie aus Ungersheim hat sich seit gestern nur wenige Kilometer weit bewegt, sie ist jetzt im Rhonetal nahe Lyon. Daniel aus Altreu, heute den dritten Tag unterwegs, hält sich an der Mittelmeerküste zwischen Narbonne und Montpellier auf. Insgesamt 9 unserer Senderstörche sind in Spanien unterwegs, zuzüglich dreier Störche, die hier tödlich verunglückt sind. Jeannot, Kurzi und Eugen ziehen weiterhin im gleichen Trupp, sie übernachten heute nur etwa 30 km Luftlinie von Gibraltar entfernt. Auch Robert aus Avenches ist seit heute fast auf der Südspitze der Iberischen Halbinsel. Francis und Werner, die Gibraltar schon vor mehreren Tagen erreicht haben, machen noch immer keine Anstalten, nach Afrika überzusetzen. Storch Heinz aus Warth ist nun im Norden des Naturschutzgebiets Coto Donana in Südwestspanien. Nicht weit entfernt, etwa 50 km östlich von Sevilla, hält sich Edouard auf. Bodi aus Kreuzlingen ist heute in Südostspanien westlich von Murcia angekommen, und Lise übernachtet etwa 100 km nordwestlich von Valencia. Storch Gantenbein aus Altreu, der bis vorgestern in dem Trupp mit unseren jetzt 3 Senderstörchen mitgeflogen war, hat sich seit gestern früh, möglicherweise aufgrund seiner schweren Beinverletzung, von der Gruppe abgesetzt. Er hält sich weiterhin nahe der Stadt Linares (Südspanien) auf. Noch immer haben nicht alle besenderten Störche den Abflug in Richtung Südwesten begonnen; 11 sind noch in der Schweiz in der Nähe ihrer Geburtsorte. Joachim und Christian (Team 1) waren heute mit mir in und um Lerida unterwegs. Wir sehen uns noch mal die gefährlichen Leitungen an und kommen zu dem Schluss, dass hier ein wichtiges Rastgebiet der ziehenden Störche liegt, dass die Region um Lerida gleichzeitig aber auch einer der gefährlichsten Punkte auf der Route der Westzieher ist. Das dichte Netz von Freileitungen, das hier das Landschaft überzieht, ist für Störche und andere Grossvögel eine regelrechte Todesfalle. Diese Erkenntnis ist bisher eines der wichtigsten Ergebnisse des Projekts „S.O.S. Storch“. TOP 29.08.2000 Foto 16 Foto 17 Foto 18 Foto 19
29.08.00, Lerida / N-Spanien
Bei Lerida hatte Team 1 bereits für kurze Zeit vereinzelte schwache
Signale von Dominique’s Satellitensender empfangen. Als sich Joachim und
Christian dann intensiv auf die Suche machen wollten, waren keine Signale
mehr zu hören. Zu Fuss suchten sie deshalb in dem Gebiet, auf das
die letzte gute Satellitenkoordindate hinwies, den Boden unter einer Mittelspannungsleitung
ab. Nach kurzer Zeit fanden sie 4 tote Störche in der Umgebung eines
Masten, darunter auch unseren Senderstorch Dominique. Dominique ist nun
neben Fürio aus Oberwil der zweite Senderstorch, der an dem Stromleitungsnetz
in der unmittelbaren Umgebung von Lerida ums Leben kam. Ein dritter Senderstorch,
Sarah aus Damphreux, starb in der weiteren Umgebung von Lerida ebenfalls
den Stromtod. Und eine hiesige Naturschutzorganisation belegte durch Ringfunde,
dass in den letzten 5 Jahren mindestens 9 weitere schweizerische Störche
bei Lerida an Stromleitungen verendeten. Ein trauriger Fund also am heutigen
Tag, der aber hoffentlich dazu beitragen wird, dass es gelingt, die gefährlichsten
Leitungsstrecken und Masten bei Lerida zu entschärfen.
Der Zug der anderen Senderstörche in Spanien ist heute eher verhalten
verlaufen, möglicherweise aufgrund des zeitweise starken Südostwindes.
Storch Gantenbein aus Altreu ist aus dem Trupp, in dem er während
der letzten Tage zusammen mit drei anderen Senderstörchen zog, verschwunden.
Vorher hatten Michael und Daniel von Team 2 festgestellt, dass er eine
schwere Beinverletzung aufwies, möglicherweise von einer Kollision
mit einer Stromleitung. Der Trupp ist seit gestern etwa 100 km weiter nach
Südwesten gezogen, Satellitendaten zufolge blieb Gantenbein etwa auf
halber Strecke zurück.
Lise aus Altreu ist inzwischen ebenfalls nahe Lerida angekommen. Hoffentlich
fällt nicht auch sie den gefährlichen Leitungen zum Opfer. Storch
Edouard aus Altreu ist heute nur noch etwa 150 km von Gibraltar entfernt,
Peilteam 3 hält ihn durchgehend unter Beobachtung, und auch Robert
aus Avenches hat es nicht mehr weit zur Südspitze Spaniens. Bodi aus
Kreuzlingen ist seit heute abend auf der Höhe von Valencia, allerdings
recht weit landeinwärts. Zwei weitere Störche aus der Schweiz
haben sich gestern bzw. heute auf die Reise gemacht. Daniel aus Altreu
erreichte gestern Frankreich südlich des Genfer Sees und ist heute
bis nach Lunel westlich der Camargue weitergezogen. Marie aus Ungersheim
(Elsass) hat sich heute, nach vielen Kapriolen während der letzten
Wochen, wohl endgültig zum Aufbruch entschlossen und erreichte am
Abend die Region nördlich von Lyon.
28.08.00, Peniscola, zwischen Tarragona und Valencia
Heinz aus
Warth, der bereits seit Südfrankreich eine ungewöhnliche Flugroute
wählt, hält sich heute nacht im Nationalpark Coto Donana an der
Guadalquivir-Mündung auf. Die Feuchtgebiete des Guadalquivir und bewässerte
Reisfelder im Umland des Nationalparks bieten ihm und seinen "Wandergenossen"
gute Nahrungsflächen. Robert aus Avenches, der gestern den Landstreckenrekord
aufstellte, ist auch heute wieder sehr weit geflogen. Sein Schlafplatz
liegt westlich von Malaga in Südspanien. Er folgte nicht der Küstenlinie,
sondern ist deutlich landeinwärts geflogen. Storch Bodi aus Kreuzlingen
befindet sich heute fast auf der Höhe von Valencia. Besonders gefreut
haben wir uns, als wir feststellten, dass auch Lise aus Altreu ihren Unfall
im Wasserturm offenbar vollständig überwunden hat. Heute früh
flog sie aus Montpellier ab und erreichte am Abend bereits die Region nördlich
von Barcelona. Nur David aus Zürich konnte sich nicht entschliessen,
weiterzuziehen. Noch immer hält er sich nahe Figueres in Katalonien
auf. Karsten und Valerie von Team 4 beobachteten, dass David aussergewöhnlich
vertraut ist und Autos sich ihm bis auf 3 Meter nähern können.
Nun hoffen wir, dass er bald wieder fit genug ist, um die Reise fortzusetzen.
Francis aus Ungersheim und Werner aus Avenches halten sich beide noch immer
auf der Südspitze Spaniens bei Gibraltar auf. Offenbar sind die Windverhältnisse
derzeit für eine Überquerung der Strasse von Gibraltar noch nicht
günstig.
Heute am
späten Nachmittag traf ich Team 1, Joachim und Christian, bei Vinaros,
zwischen Tarragona und Valencia. Die beiden sind guter Dinge, waren aber
etwas enttäuscht, dass es Ihnen heute nicht gelungen ist, "ihren"
Storch bis zum Schlafplatz zu begleiten. Dabei gib es für die beiden
absolut keinen Grund, an sich zu zweifeln. Mehrfach schon haben sie scheinbar
aussichtlose Situationen gemeistert. Den Senderstorch Fürio fanden
sie mehrere Tage, nachdem er bei Lerida an einer Hochspannungsleitung tödlich
verunglückt war - und das, obwohl der Kadaver des Vogels bereits in
der Tiefkühltruhe einer Vogelpflegestation lag und sein Sender mit
abgebrochener Antenne in der Schreibtischschublade des Stationsleiters
schlummerte.
27.08.00, Torredembarra, Costa Dorada / N-Spanien Ich wundere
mich, wie geduldig die Peilteams dieses Leben wochenlang mitmachen. Von
früh am morgen und oft bis nach Mitternacht sind sie im Auto unterwegs,
um die von ihnen verfolgten Störche nicht zu verlieren. Gegessen wird,
was man in einer Tankstelle oder in einem Laden unterwegs schnell einkaufen
kann.
Und geschlafen wird dort, wo die Arbeit gerade endet, neben dem Auto. Als
ich die Mitarbeiter kürzlich befragte, was es am Projekt aus ihrer
Sicht zu bemängeln gibt, antwortete mir einer, es sei alles wunderbar,
nur "schön wäre es doch, mal wieder Zeit für eine Übernachtung
auf dem Campingplatz zu haben, da könnte man wieder mal duschen".
Dass trotzdem noch immer alle mit Begeisterung und Engagement dabei sind,
lässt sich wohl nur damit erklären, dass die Arbeit aussergewöhnlich
spannend ist und jeder Tag neue Überraschungen bringt.
Der Zug der
Störche verlief heute ziemlich verrückt. Alle Peilteams waren
in Spanien unterwegs, da praktisch alle derzeit ziehenden Störche
sich dort aufhalten. Anfangs kamen, wie aus den letzten Wochen gewohnt,
nur Erfolgsmeldungen, keines der Teams hatte Schwierigkeiten, dranzubleiben.
Am Nachmittag wurde der Optimismus verhaltener, viele Störche waren
nur noch schlecht zu orten, manche waren ganz aus der Reichweite der Peilsysteme
verschwunden. Am Abend dann begann der Frust. Nur zwei der insgesamt 9
verfolgten Vögel konnten noch präzise lokalisiert werden, die
anderen hatten sich scheinbar in Luft aufgelöst. Die Präzision
der Satellitendaten war ebenfalls während des ganzen Tages schlecht,
so dass auch daraus nicht auf den exakten Aufenthalt der Vögel geschlossen
werden konnte.
Erst die
spät in der Nacht eingehenden Satellitendaten und ihre Auswertung
lösten dann das Rätsel. Ein kräftiger Ostwind hatte die
Vögel von der Mittelmeerküste aus weit ins Inland hinein verdriftet.
Bis zu 500 km haben einzelne Vögel heute zurückgelegt - da hat
kein Peilteam eine Chance, auf schmalen Landstrassen mitzuhalten. Besonders
bitter war dies alles für Stephan und Olaf von Team 3. Gestern noch
waren sie in Gibraltar, heute abend bereits in Zentralspanien, um dort
einen Senderstorch zu begleiten. Als sie an den vorgegebenen Koordinaten
ankamen, stellte sich heraus, dass der Vogel bereits fast 400 km nach Süden
geflogen war. Von Gibraltar aus hätten sie ihn heute in wenigen Stunden
erreichen können.
Den Langstreckenrekord
legte Storch Robert aus Avenches zurück, mit etwa 500 km Flugstrecke.
Er hält sich jetzt in Zentralspanien auf. 400 km weit flog Heinz aus
Warth, der jetzt nordöstlich von Sevilla ist. Die 4 gemeinsam ziehenden
Senderstörche Jeannot, Eugen, Kurzi und Gantenbein sind jetzt etwa
160 km von der Mittelmeerküste entfernt, etwas südlich der Höhe
von Valencia. Edouard aus Altreu befindet sich nahe Valencia, Bodi aus
Kreuzlingen hielt sich an die Mittelmeerküste und ist etwa auf Höhe
von Vendrell, und am faulsten war David aus Zürich, der lediglich
bis Figueres in Katalonien (Nordspanien) gelangte.
26.08.00, nahe Mont-Louis, wie während der letzten 2 Tage Irgendwie bleibe ich zur Zeit in den Pyrenäen hängen. Vielleicht hat das damit zu tun, dass die Temperaturen hier oben wesentlich angenehmer sind als unten in der Ebene? Wie dem auch sei, heute abend erfahre ich wieder mal, dass das Wetter im Gebirge unberechenbar sein kann. Innerhalb einer halben Stunde fällt das Thermometer bei starkem Nordwind um 15°C. Der von unserem Peilteam 2 begleitete Storchentrupp, in dem sich 4 Senderstörche aufhalten, hat heute den Sprung über die Pyrenäen geschafft. Nachdem die Vögel gestern erfolglos versucht hatten, den Col de la Perche im Segelflug zu überwinden, starteten sie heute früh, ausgeruht und fit, einen neuen Versuch. Bei fehlender Thermik und mit kräftigem Rückenwind flogen sie diesmal im kräftezehrenden Ruderflug. Oben auf dem Pass traf ich mit Michael und Daniel zusammen. Mit den Peilgeräten konnten wir die Vögel gut erfassen, sehen konnten wir sie leider nicht, da sie den Weg hinter einer weiteren Hügelkette wählten. Dass bei der Begleitung der ziehenden Vögel Peilgeräte eingesetzt werden, obwohl die Koordinaten doch vom Satelliten übertragen werden, hat einen einfachen Grund: Die Satellitendaten führen die Teams nur grob in die Gegend, in der ein besenderter Storch sich aufhält. Um ihn dann für die Beobachtung genau zu lokalisieren, muss zusätzliche Peilelektronik eingesetzt werden. Die Technik, die von unseren Teams verwendet wird, ist so ziemlich das Non-Plus-Ultra für die Bodenortung von Satellitensendern. Wenn der sogenannte Goniometer ein Signal empfängt, dann zeigt er sowohl die Richtung zum Vogel als auch dessen Kennnummer, also seine Identität, an. Ausserdem gibt eine Signalstärkeanzeige Hinweise auf die Entfernung des Senders. Zusätzlich haben alle Teams einen "Links-Rechts-Peiler" im Fahrzeug. Zwei Richtantennen, die so am Fahrzeug angebracht sind, dass die eine nach vorne links, die andere nach vorne rechts zeigt, empfangen die Signale; eine Elektronik schaltet sehr schnell ständig zwischen beiden Antennen hin und her, und der Ausschlag eines Zeigers teilt uns mit, ob ein Signal mehr von links oder mehr von rechts kommt. Beide Peiltechniken werden, je nach Situation, alternativ eingesetzt, fliegende Störche können damit über Entfernungen von bis zu 60 km geortet werden. Eine ungewöhnliche Beobachtung machten Michael und Daniel heute Nachmittag: Sie folgten dem ziehenden Storchentrupp mit unseren 4 Sendervögeln im Segre-Tal nahe La Seu d'Urgel (Nordspanien), als plötzlich der Trupp auseinanderstob und einer der Störche zusammen mit einem anderen Vogel zu Boden stürzte. Ein Adler hatte den Storch angegriffen und geschlagen, und als das Team den toten Storch schliesslich fand, war er bereits weitgehend gefressen. Es war ein diesjähriger Jungvogel mit dem französischen Ring Paris P5632. Manchmal kommen eben ziehende Störche sogar ohne Zutun des Menschen ums Leben. Der Trupp
hat dann vom Segre-Tal aus den Weg direkt nach Süden genommen und
ist am Abend etwas östlich von Tarragona in der Nähe des Mittelmeeres
angekommen. Dort übernachten Kurzi, Eugen und Gantenbein aus Altreu
und Jeannot aus Ottenbach zusammen mit etwa 40 Artgenossen mal zur Abwechslung
nicht auf einer Kirche, sondern auf einer Kathedrale - so der Bericht von
Team 2, die die Vögel gegen Mitternacht wieder gefunden haben. Nicht
weit entfernt sind inzwischen auch Storch Robert aus Avenches und Edouard
aus Altreu angekommen. Bodi aus Kreuzlingen wurde von Team 4 nach Gruissan
bei Narbonne begleitet, wo er sich abends auf einer Weide aufhielt, und
Storch David aus Zürich übernachtet an der Mittelmeerküste
nahe der französisch-spanischen Grenze. Heinz aus Warth hatte es eilig.
Er ist bereits zwischen Madrid und Toledo und hat auf dem Weg dorthin Team
1 abgeschüttelt. Team 3 ist noch immer bei Storch Werner nahe Gibraltar,
wird aber morgen gen Norden aufbrechen.
25. August 2000, immer noch nahe Mont-Louis, französische Pyrenäen Grosse Freude heute abend bei Team 3. Stephan und Olaf haben ihren Storch Werner "wohlbehalten" in Algeciras bei Gibraltar "abgeliefert". Werni, wie die beiden ihn inzwischen liebevoll nennen, hat heute Schwierigkeiten mit dem starken Wind. Zum Übernachten hat er sich in einem geschützten Flussbett niedergelassen. Auch Storch Francis hat noch immer nicht den Sprung nach Afrika gewagt. Wesentlich weiter nördlich, am Nordhang der Pyrenäen, behinderte starker Wind ebenfalls den Zug der Störche. Der Trupp mit unseren 5 Senderstörchen, der bereits seit mehreren Tagen unter Beobachtung ist, versuchte, den Col de la Perche zu überfliegen, musste aber wegen des Windes umkehren. Abends berichtet mir Team 2, dass die insgesamt etwa 50 Störche auf der Kirche des Dorfes Vernet-les-Baines südwestlich von Perpignan rasten. Morgen werden sie wohl einen neuen Anlauf nehmen. Storch David aus Zürich, der heute Vormittag noch in dem Trupp mitflog, hat sich abgesetzt - ihm war die Angelegenheit wohl zu anstrengend. Storch Robert aus Avenches, eines der genesenen Opfer des Wasserturmunfalls bei Montpellier, der noch gestern ebenfalls zeitweise bei dem Trupp mit mehreren Senderstörchen dabei war, hat im Alleingang eine offenbar günstigere Route gewählt. Er ist heute bereits südlich der Pyrenäen in Katalonien, zwischen den Städten Vic und Ripoll. Und Heinz aus Warth, der die Pyrenäen in ihrem westlichen Teil ansteuerte, hat heute ebenfalls den Sprung nach Spanien geschafft. Er rastet nördlich von Pamplona, wo Team 1 ihn morgen früh aufsuchen wird. Endlich hat sich auch einer der Kreuzlinger Senderstörche auf den Weg gemacht. Bodi ist inzwischen in Südfrankreich, wohin ihn Team 4 durch das Rhonetal eskortiert hat. Mir läuft
wieder mal die Zeit weg - heute abend sind mir ungewöhnlich viele
Koordinaten in den Laptop geflattert. Wie geht das ganze eigentlich vor
sich, werden Sie nun fragen. Im Prinzip ist es einfach: die Satellitendaten
werden von drei Mitarbeitern in der Schweiz, Margrit, Paul und Adrian,
über Internet abgerufen, grob vorsortiert und dann per SMS (jawohl,
das geht) vom PC aus an mein Mobiltelefon gesandt. Von Handy gelangen die
ankommenden Daten automatisch direkt auf meinen Laptop. Ich übertrage
die Datensätze in eine Datenbank, die auf meinem Computer mit einem
sogenannten "Geografischen Informationssystem" verknüpft ist. Dort
erscheinen die Koordinaten, tausende sind es inzwischen, dann als Symbole
auf einer Landkarte. Auf dieser Karte sehe ich, wo die Vögel gerade
sind und kann somit entscheiden, welches Peilteam wann an welchem Ort sein
muss. Auch die Kommunikation mit den Teams erfolgt über SMS. Hört
sich einfach an - ist es im Prinzip auch -, macht aber viel Arbeit. Deshalb:
Schluss für heute.
24. August 2000, nahe Mont-Louis, französische Pyrenäen Wer bloss soll all diese Autokilometer bezahlen? Auch Karsten und Valerie, unser Team 4, waren wieder lange unterwegs. Nachdem sie Storch Edouard bis Montpellier begleitet hatten, machten sie sich zum x-ten Mal auf ins Rhonetal, um nahe Valence Stellung zu beziehen. Wenn der Satellit nicht lügt, dann werden morgen weitere Störche aus der Schweiz abziehen, und denen sollen sie auf der Spur bleiben. Noch immer hält der Trupp mit den 5 Senderstörchen zusammen. Nach einer Rast am Nachmittag im Gelände eines Safariparks bei Narbonne sind die Vögel heute abend zum Übernachten in Latour-de-France, knapp nördlich der Pyrenäen, angelangt. Michael und Daniel, das Peilteam 4, waren kontinuierlich an ihnen dran. Und wieder sorgt das Auftreten des Trupps von insgesamt 50 Störchen für Aufsehen. Eine kurze Nachricht von Michael und Daniel heute um 20:30 Uhr: "Ein großen Teil der Gruppe, in der unsere fünf Senderstörche ziehen, ist auf der Kirche in Latour gelandet. Die Leute tanzen auf der Strasse". Storch Robert aus Avenches dagegen, der sich dem Trupp gestern ebenfalls angeschlossen hatte, hat sich wieder selbständig gemacht und rastet irgendwo zwischen Montpellier und Narbonne. Werner ist inzwischen nahe Malaga. "Störche übernachten in Garten von Villa, wir auch", lautet um 23:00 Uhr die kurze Nachricht von Stephan und Olaf. Team 3 ist entschieden, sich von Werner nicht abschütteln zu lassen. Dominique
ist unverändert bei Lerida, und auch Lise scheint keine Lust zum Ziehen
zu haben und bleibt weiterhin in der Gegend von Lyon. Ich selbst habe mir
heute den Col de la Perche angesehen, den Pyrenäenpass, über
den die meisten unserer Störche Spanien erreichen. Ganz in der Nähe,
in einem kleinen Dorf bei Mont Louis in 1.550 m Höhe, habe ich einen
winzigen Campingplatz gefunden, auf dem es sich wunderbar arbeiten lässt.
Ruhe, angenehme Temperaturen, nette Menschen, und der leichte Landwein
aus dem Fass schmeckt hervorragend.
Ripoll / Spanien, südöstliche Pyrenäen Auch
die Peilteams 1 und 2 sind heute früh aufgebrochen. Von Lerida fuhren
sie 450 km weit zurück nach Frankreich, um in der Gegend von Narbonne
den Storchentrupp "in Empfang zu nehmen", der gestern bei Tresques im Rhonetal
übernachtet hat. Der Aufwand hat sich gelohnt. Um 19:30 Uhr konnten
Joachim, Christian, Michael und Daniel beobachten, wie unsere Senderstörche
zusammen mit anderen Störchen an einem See bei Narbonne landeten.
Gross war die Freude, als die Peilgeräte anzeigten, dass auch Storch
Robert aus Avenches bei dem Trupp ist. Mehrere Tage hatte er sich südlich
von Montpellier aufgehalten, nachdem er von seinem Unfall am Wasserturm
genesen war. Nun muss er seine vorbeiziehenden Artgenossen gesehen und
sich ihnen angeschlossen haben. Das gefährliche Abenteuer ist damit
für ihn damit endgültig überstanden. Lise, der zweite Senderstorch,
der im Wasserturm verunglückt war, hält sich dagegen noch immer
bei Montpellier auf. Peilteam
4, Karsten und Valerie, die gestern den Storchentrupp mit unseren 5 Sendervögeln
durch das Rhonetal begleitet hatten, waren heute Vormittag schon wieder
unterwegs Richtung Norden. Auf der Höhe von Valence bekamen sie Storch
Edouard aus Altreu auf ihre Peilgeräte, orteten ihn und folgten ihm
nach Süden bis Pont-St-Esprit, wo er zusammen mit 10 anderen Störchen
auf Zedern und Tannen übernachtet. Stephan und Olaf von Peilteam 3
hatten einen eher ruhigen Tag. Storch Werner aus Avenches hat sich von
seinem gestrigen Standort in Südspanien kaum wegbewegt. Ihm scheint
es, ebenfalls wie dem Team, an der Costa del Sol zu gefallen. Francis aus
Ungersheim konnte sich noch immer nicht entscheiden, die Strasse von Gibraltar
zu überfliegen, und Heinz aus Warth hat seinen Aufenthaltsort am Nordrand
der westlichen Pyrenäen ebenfalls nicht verändert - seit nunmehr
2 Tagen. Allmählich befürchte ich, dass er dort einem Unfall
zum Opfer gefallen sein könnte.
Die
Gegend um Lerida erweist sich als ein gefährliches Pflaster für
ziehende Störche aus Westeuropa. Eine Doppelreihe von Hochspannungsleitungen
zieht sich mitten durch ihr Rastgebiet. Unser Sendervogel Fürio aus
Oberwil ist vor einigen Tagen an dieser Leitung zu Tode gekommen, und von
den Mitarbeitern einer lokalen Naturschutzorganisation erfahren wir, dass
in den letzten 5 Jahren mindestens 9 weitere schweizer Störche hier
verunglückt sind. Das Fernsehteam von MTW dreht an der „Todesleitung“
Bilder für seine Sendung am 24. August – ein anstrengender Job bei
mehr als 30° im Schatten. Team 1, Joachim und Christian , halten unseren Senderstorch „Dominique“ aus Damphreux unter Beobachtung. Seit Tagen hält er sich hier bei Lerida auf. Team 2, Michael und Daniel, sind im Eiltempo unterwegs nach Lerida, nachdem sie kürzlich „Francis“ aus Ungersheim sicher nach Gibraltar begleitet haben. Team 3, Stephan und Olaf, folgen weiterhin „Werner“ aus Avenches auf seinem Weg nach Süden. Er ist inzwischen südlich von Murcia an der Costa del Sol angekommen. Team 4, Karsten und Valerie, warten in Frankreich im Rhonetal südlich von Lyon auf „neue“ Zugstörche aus der Schweiz.Nichts
ungewöhnliches also. Mittags dann die Meldung von Team
4, dass 5 Senderstörche mit dem Peilgerät
auszumachen sind. Es sind David aus Zürich, Gantenbein, Eugen und
Kurzi aus Altreu, und Jeannot aus Ottenbach. Sie ziehen gemeinsam in einem
Trupp mit weiteren Störchen entlang der Rhone zügig nach Süden.
Team
4, Karsten und Valerie bleiben kontinuierlich
dran. Als gegen 20 Uhr 25 Störche in Tresques nahe Bagnols-sur-Ceze
landen, sind die 5 Senderstörche dabei – und natürlich auch unser
Team, das erstaunt ist, welchen Aufruhr das Erscheinen der grossen Vögel
in dem Städtchen auslöst. 13 Störche landen zum Übernachten
auf einem Wasserturm – ein weiterer Beleg dafür, dass solche Bauwerke
tatsächliche eine wichtige Todesursache sein können. Abends
mit den Teams 1 und 2 „Lagebesprechung“ in Lerida. Morgen werden sie in
aller Frühe aufbrechen, um rechtzeitig zum Start der Vögel aus
Tresques in Südfrankreich zu sein und sie weiter nach Süden begleiten
zu können. Der morgige Tag verspricht, spannend zu werden. Seit Mitte August läuft nun die Feldarbeit unseres Projekts „S.O.S. Storch“. Viel ist bereits geschehen in dieser Zeit. Manches war über die Medien zu erfahren – beispielsweise die spektakuläre Rettung von Störchen aus einem Wasserturm in Südfrankreich -, anderes, teilweise ebenfalls spannend und wichtig für zukünftige Aktivitäten zum Schutz des Weissstorchs, ist eher im Stillen verlaufen. Viele
Anfragen haben uns seit Beginn des Projektes erreicht: Wo sind unsere 4
Peilteams gerade unterwegs? Gibt es besondere Ereignisse? Wie geht es den
Störchen? Verläuft das Projekt wie geplant? Das Interesse an
„S.O.S. Storch“ ist so gross, dass es notwenig erscheint, auf unserer Website
täglich in Form eines kurzen „Tagebucheintrags“ über neue Entwicklungen,
Ergebnisse und Ereignisse zu berichten. Ich
möchte deshalb ab heute versuchen, in diesem „Tagebuch des Projektleiters“
täglich stichwortartig über Neuigkeiten, Stimmungen und Beobachtungen
aus der Projektarbeit zu berichten - direkt aus dem Feld, getippt auf der
Tastatur des Laptop-Computers, und an den Webmaster gesandt per Handy oder
Satellitentelefon. Nicht immer wird das gelingen wie gewünscht – oft
reicht die Zeit gerade so aus, um nur die wichtigsten Schreibarbeiten zu
erledigen, und manchmal versagt auch die beste Technik ihren Dienst. Seien
Sie deshalb nicht enttäuscht, wenn das Tagebuch mal ausfällt.
Das, was Sie an dieser Stelle lesen werden, hat auf jeden Fall Aktualität.
Wir hoffen ausserdem, Ihnen im „Tagebuch des Projektleiters“ demnächst
tagesaktuelle Fotos aus dem Projekt präsentieren zu können. Dr.
Holger Schulz, Lerida / N-Spanien, 22. August 2000
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