Das Projekt "SOS Storch" - Fakten und Hintergründe

Der Weissstorch - jedes Kind kennt ihn. Gedichte und Reime ranken sich um den schwarz-weißen Segelflieger, und im Volksglauben ist er tief verwurzelt. Trotzdem steht es schlecht um den Storch. Jahrzehntelang ging es mit ihm stetig bergab. Im Schweizer Mittelland brüteten um die Jahrhundertwende noch mehr als 140 Storchenpaare - aber schon 1950 war der Storch in der Schweiz ausgestorben. Nur dem gewaltigen Engagement zahlreicher schweizerischer Naturschützer ist es zu verdanken, dass auf den Dächern heute wieder Störche klappern.

Was muss getan werden, um sicherzustellen, dass auch in den kommenden Jahrzehnten die Menschen den Weissstorch nicht nur aus Filmen und Büchern kennen? An erster Stelle steht die Wiederherstellung geeigneter Lebensräume. Störche brauchen viel Futter, um ihre Jungen grosszuziehen - Regenwürmer, Frösche, Mäuse und andere Kleintiere. Die aber sind selten geworden in unserer überbewirtschafteten Landschaft. Inzwischen gibt es erfreuliche Beispiele für gelungene Renaturierungen. Aber der Weg zu einer "storchenfreundlichen" Schweiz ist noch weit.

Als Zugvogel verlässt der Weissstorch in jedem Spätsommer die Schweiz, reist nach Südeuropa und in die Länder Westafrikas, um dort die Wintermonate zu verbringen. Viele Gefahren lauern während der langen Wanderung. Tödliche Kollisionen und Stromschlag an Freileitungen führen zu hohen Verlusten unter den ziehenden Störchen. In Südwesteuropa fallen Störche Jägern und Schiessern zum Opfer. Andere der stolzen Vögel verenden qualvoll an Verletzungen oder Vergiftungen, die sie sich mit pestizid- und giftbelasteter Nahrung zugezogen haben. Erschreckend war die Erkenntnis, dass nur etwa 10% der in der Schweiz ausfliegenden Jungvögel auch tatsächlich hierher zurückkehren - dass also der Aderlass während des Zuges grösser ist als bisher angenommen.

Die Naturschützer von "Storch Schweiz" (ehemals "Schweizerische Gesellschaft für den Weissstorch, Altreu") wollten dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Aber wer die Gefahren auf den Zugrouten beseitigen will, der muss die Details kennen. Was genau sind die drohendsten Verlustursachen? Wo konzentrieren sich gefährliche Freileitungen? Wo fallen die Vögel Jägern zum Opfer? An welchen Stellen fehlt es an geeigneten Nahrungsflächen?                                                          

Hier fasst das Projekt "SOS Storch" an. In einer in dieser Grössenordnung bisher nicht dagewesenen Aktion, unter Einsatz modernster Technologien, und mit grossem fachlichen Input begleitet "Storch Schweiz" - in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit dem Naturhistorischen Museum der Burgergemeinde Bern und unterstützt von zahlreichen Spponsoren - in den  Jahren 2000 und 2001 die Störche auf ihren Zugwegen zwischen der Schweiz und Westafrika. Die im Projekt "SOS Storch" mitarbeitenden Naturschützer und Wissenschaftler hoffen, damit alle Faktoren zu ermitteln, die massgeblich zur Gefährdung der Art beitragen.

"Satellitentelemetrie" heisst das Zauberwort für den Erfolg des Projekts. Kleine Sender, nicht mehr als 40-50 Gramm schwer, werden den Störchen noch am Brutort auf den Rücken gebunden. Während der Wanderung nach Afrika  zeigen sie den Forschern von "SOS Storch" kontinuierlich an, wo gerade sich die besenderten Störche aufhalten. 4 Teams aus jeweils 2 Fachleuten sind mit ihren mit Peilelektronik vollgestopften Nissan-Geländewagen entlang der Zugroute unterwegs, erhalten stündlich vom Projektleiter, der ebenfalls zwischen der Schweiz und Westafrika unterwegs ist, per Funk und Satellitentelefon die Positionen der Vögel übermittelt und machen sich dann auf, die Vögel zur Beobachtung aufzufinden. 25 Vögel wurden im Jahr 2000 besendert, und die Ergebnisse waren überwältigend. Weitere 18 Störche wurden im Jahr 2001 besendert. Auch in diesem Jahr wird "SOS Storch" wieder dabei sein, wenn sie gen Süden ziehen - und weitere wichtige Erkenntnisse gewinnen, die in den nächsten Jahren  helfen werden, den Weissstorch in der Schweiz und benachbarten Ländern nachhaltig zu schützen.

Trotz aller wissenschaftlichen Methodik soll das Projekt keine "Forschung im Elfenbeinturm" sein. Das Naturhistorische Museum der Burgergemeinde Bern hat deshalb das Projekt zu einem seiner Schwerpunktthemen in den kommenden Monaten gemacht - mit Sonderveranstaltungen und Ausstellungen. Und auch direkt vom Ort des Geschehens werden wir ihnen täglich berichten - hier auf dieser Internetseite. Täglich werden die Karten der Zugrouten der besenderten Störche aktualisiert, und der Projektleiter wird in seinem Tagebuch und mit vielen Fotos über alles berichten, was an interessanten Beobachtungen anfällt. Jeden Morgen können Sie hier nachlesen, was es an neuen Erkenntnissen, an Erlebnissen und persönlichen Eindrücken gibt - aktuell berichtet aus Frankreich, Spanien, Marokko, Mauretanien oder Mali. Wir freuen uns über Ihren Besuch auf unserer website.